Wie ich ein Künstler wurde
Als ich geboren wurde, lebten meine Eltern in Lamprechtshausen im Haus meiner Großeltern. Auch später werde ich hier noch viele Tage verbringen. Der Flachgau, das Alpenvorland, diese nichtige hügelige Landschaft mit ein paar schroffen Bergen im Hintergrund, weitgehend frei von Tourismus, prägt mich bis heute.
Aufgewachsen bin ich dann in Nonntal, Wäschergasse, sehr idyllisch und glücklich, im Herzen der Stadt Salzburg. Als ich neun Jahr alt war, übersiedelten meine Eltern in ein Reihenhaus an den damals durchaus noch bäuerlich geprägten Stadtrand, nach Leopoldskron-Moos. Hier wurde ich nie besonders heimisch. Trotz unzähliger Spaziergänge zwischen streng gestutzten Thujenhecken und Einfamilien-Siedlungen fühle ich mich bis heute immer ein wenig fremd in dieser Gegend.
Mit der bildenden Kunst habe ich ernsthaft mit etwa zwölf Jahren begonnen. Ich hatte damals praktisch keine Freunde und war entsprechend einsam. Gitarre spielen, Zeichnen und bald schon die Anfertigung von Linolschnitten war ein brauchbares Mittel gegen die Langeweile und gaben meiner Existenz so etwas wie Sinn.
Interessanterweise war auch die Pfarre St. Erhard in Nonntal ein spannender intellektueller Nährboden für mich. Hier kam ich eingehend mit Philosophie und Literatur in Berührung. Mit 14 Jahren entdeckte ich mit einem schmalen Reklamheft das Daodejing von Laozi (in einer Übersetzung von R. Wilhelm), das ich damals praktisch auswendig kannte. Dieses Denken und diese Spiritualität waren mir ein großer Trost und eine wichtige Hilfe im ganzen Kummer eines heranwachsenden Burschen, denn um das Liebesglück stand es schlecht und den Mädchen, die mir gefielen, kam ich körperlich so gar nicht näher.
Eigentlich war ich, was das Malen und Zeichnen anging, eher wenig begabt und hatte meistens nur ein „gut“ in Bildnerischer Erziehung, obwohl ich extrem engagiert war. Weil ich bis heute eine hochgradige Rechtschreibschwäche besitze, wurden allerhand Tests durchgeführt. Mir wurde klinisch eine optische Teilleistungsstörung diagnostiziert, d.h. ich kann mir das, was ich sehe, nur ganz schlecht merken. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen für einen Bildenden Künstler und viele meiner frühen Arbeiten schauen entsprechend ungeschickt aus. Mit viel, viel Geduld, Willen und Fleiß hat sich das im Laufe der Jahre gebessert.
Mit 16 hat es mir und zwei Freunden mein damaliger Lehrer im Gymnasium Otto Beck ermöglicht, die Räume der Salzburger Sommerakademie auf der Festung Hohen-Salzburg während des Schuljahres zu nutzen. Was für ein Luxus! Ein riesiges Atelier gratis hoch über den Dächern der Stadt. So es die Temperaturen zuließen sind wir täglich gleich nach der Schule hinauf auf die Festung gegangen um zu malen. Im Winter habe ich dann in der Druckwerkstatt im Trakelhaus Tiefdruck bei Eva Möseneder und ein wenig Lithografie bei Anton Drioli gelernt. Damals waren praktisch alle meine Freunde und Bekannte Künstler. Jeder war Musiker, Fotograf, Performer oder Schriftsteller. Mit 16 war mir vollkommen klar, dass ich von nun an Künstler bin (die Frage war nur: welche Kunst?). Ich habe damals emsig Gitarre gespielt, einen strengen Kanon für zwei Celli komponiert (der sogar von Musikerinnen des Mozarteums aufgeführt wurde) und mit diversen Prosatexten begonnen. Ich glaube das Atelier auf der Festung hat dann aber den Ausschlag gegeben.
Wir haben damals alle sehr abstrakt gearbeitet. Kandinsky, Duchamp und Rothko waren unsere Helden. Bei mir hat das aber mittelfristig nicht funktioniert. Ich konnte irgendwie meine Gefühle nicht in der abstrakten Malerei unterbringen. Sehr unvermittelt habe ich dann auf der Festung das vielleicht für mich wichtigstes Bild gemalt, „die Friedenstraße“. Wenn ich mir das Bild heute anschaue bin ich immer noch erstaunt wie ungeschickt und schlecht ich mit immerhin 18 Jahren malen konnte. Meine Freunde waren entsetzt. Weniger wegen der schlechten Malerei, mehr wegen des Inhalts. Das Gegenständliche war für sie damals ungeheuer provozierend und skandalös, mich hat es begeistert. Ich wollte von nun an Bilder malen, die weder schön noch hässlich sind. Oder anders gesagt, das Schöne im Unbeachteten suchen, in Hochspannungsmasten, Autobahnen und Dorferweiterungsgebieten – im Flachgau also.
Unmittelbar nach der Matura war mir klar: Nun bin ich frei und nun bin ich Künstler. Dazu habe ich auch einen meiner Ansicht nach genialen Plan gehabt. Durch die Vermittlung meiner Großmutter bezog ich für praktisch keine Miete ein lange unbewohntes „Austrager Häusl“, ein Ausgedinge Häuschen bei der Renzl Mühle in Eggenham bei Franking. Das war ein kleines Schmuckstück mit Holzherd, unbeheiztem Schlafzimmer und eine mit Kohle zu wärmenden Badewanne. Ein bis zwei mal in der Woche fuhr ich eine Stunde lang mit dem Fahrrad zu meiner Großmutter um Lebensmittel einzuheimsen. Als Malgrund dienten mir einige alte Leintücher, die Ölfarben habe ich mir mit geschenkten Pigmenten und Leinöl selbst angerieben. Daneben versuchte ich mich an der Bildhauerei. Mit Hammer und Meißel ging ich auf zwei Untersberger Marmorfindlinge los. Außer für billigen Wein und Zigaretten brauchte ich kein Geld und so hatte ich auch mit meinem sehr schmalen Barvermögen ein Auskommen.
So idyllisch und nett ich mir das alles auch ausgedacht und tatkräftig umgesetzt hatte, so hart und mitunter schrecklich war die Realität. Die Einsamkeit hat mich zermürbt. Nach einem dreiviertel Jahr gab ich auf, richtete mir eine Mappe und zog nach Wien, um mich an der Akademie und der Angewandten in den Malerklassen umzuschauen. Die Malerklassen waren damals ein wenig enttäuschend für mich, denn die Professoren mit großen klingenden Namen waren praktisch nie anwesend und Unterricht fand kaum statt. Eines Tages stolperte ich geradezu in eine Tür mit der Aufschrift „Institut für Restaurierung“. „Oh, Restaurierung, sehr interessant, da wird man ja noch etwas lernen“, dachte ich und wurde wider Erwarten auch gleich aufgenommen.
Die von mir sehr geschätzte Karin Troschke, die Papierrestaurierung unterrichtete, nahm mich unter ihre Fittiche. Das Leben nahm seinen Lauf und fünf Jahre später hatte ich mein Diplom in der Tasche, war verheiratet und erwartete mein erstes Kind. Ein Jahr lang, als frisch gebackener Vater, habe ich nicht gemalt. Ich war der festen Überzeugung ich müsse mich nun ausschließlich dem Geldverdienen widmen, aber lang hab ich das nicht durchgehalten. Bald hatte ich wieder ein Atelier.
Mit 29 hatte ich meine erste „richtige“ Ausstellung in der Galerie der Stadt Wien, der so genannten Alten Schmiede. „Furcht und Schrecken des Alpenvorlands“ war Titel und Programm.
Bei meiner zweiten Ausstellung in der Galerie der Stadt Salzburg im Mirabellgarten wurden so viele Bilder verkauft, dass ich mit den Einnahmen einen ersten soliden Katalog drucken konnte. Damit kam ich bei der Galerie unart in Villach unter und ab 2003 in der Galerie Heike Curtze.
Aber das ist dann eine andere Geschichte.